22. März 2012

Ein Tag zur See


Good morning Sir, pilot in half an hour“

- Es ist halb drei in der Früh als mich das Telefon aus einer eher Bewusstlosigkeit als Schlaf weckt.
Die wenigen Nachtstunden habe ich auf dem Sofa verbracht, denn wegen dem starken Rollen ist an Schlaf in der Koje nicht zu denken. Auf dem Sofa bekomme ich zuwenigst etwas mehr Stütze.

- „I take over the command“.
Der philippinische zweite Steuermann ist sichtlich erleichtert als ich zehn Minuten später auf der Brücke stehe, einen frischen Kaffe in der einen Hand balancierend während ich mich mit der anderen stetig an der Stange vor dem Instrumentenpulpet festhalte.

- Wir sind zwei Tage die Nordsee hochgerollt in Richtung Norwegen, alle sind müde denn richtigen Schlaf bekommt bei diesem Wetter keiner an Bord,  und jetzt kommt die schwere See zu allem Überfluss auch noch von der Steuerbordseite während wir Kurs in Richtung Küste und Schären nehmen. Gut dass alles festgezurrt ist, (ein Matrose fällt allerdings aus seiner Koje)!

- Es ist dunkel, Schneeregen, gepeitscht von Sturmböen, klatscht schräg gegen die Fenster und wegen Wind und Strömung liege ich fünfzehn, manchmal gar zwanzig Grad aus dem schlingernden Kurs damit ich nicht an der Einfahrt vorbeitreibe. Die Gischt an der Flesenküste und den Riffen spritzt haushoch.
"Bleibt jetzt die Maschine stehen, oder noch schlimmger ein "black out" wo das ganze Schiff strom- und leblos wird, so ist es aus und vorbei" geht es mir durch den Kopf und ich bereite mich  zumindest mental auf das Wenige das ich dann noch tun kann vor. 
Generalalarm, vielleicht bekomme ich ja den Bugpropeller zumindest, Verbindung mit Land via Funk, Rettungsboot, Pässe und die Schiffkasse wenn möglich,  aber vor allem "Ruhe bewahren"!
Da heisst es "gerade stehen", denn die Verantwortung als Kapitän lastet in solchen Stunden schwer auf mir. Elf Besatzungsmitglieder, Miljö- und etliche Millionen an Sachwerten stehen auf dem Spiel.

- Noch eine gute halbe Stunde geht es so bis wir endlich die geschützten Gewässer zwischen den Inseln erreichen, das Schiff hört auf zu rollen, wir sind in relativer Sicherheit als der Lotse an Bord kommt.
Auch diesmal ist alles wieder gut verlaufen!

- Eine Stunde später dann manövriere ich das Schiff an den Kai, meine einzige Handarbeit die ich an Bord habe, und wir liegen sicher vertäut, noch ein paar Mails und ich habe erstmals wieder Feierabend.
Es ist halb sechs geworden und ich lege mich einfach angezogen wieder auf das Sofa und schlafe für ein paar Stunden, die Ruhe genießend.

- Passend zur Kaffepause um zehn werde ich wach, noch einen frischen Kaffe bevor ich die aufgelaufenen Mails beantworte.
Dann Mittag und wieder ein kurzer Schlummer auf dem Sofa.

- Der Nachmittag ist wesentlich ruhiger was meine administrativen Aufgaben betrifft und ich mache schon um halb vier „Feierabend“.
Nun ja, „Feierabend“ habe ich keinen an Bord denn erreichbar bin ich ja rund um die Uhr wenn es sein muss. Aber ich kann mich zurückziehen in meine „Zwei-Zimmer-Dusche-Kajüte“.

- Entgegen meinen normalen Gewohnheiten an Bord ist allerdings heute meine Türe schon kurz nach neun Uhr abends  zu, das heißt: wecken nur wenn absolut nötig!
Die kommende Nacht schlafe ich tief und fest in einer ruhigen Koje und diesmal weckt mich das Telefon erst gegen halb fünf.

- „Loading completed, Sir“ und in einer halben Stunde läuft das Schiff aus und seinem nächsten Hafen entgegen.


- Hoffentlich bei besserem Wetter!

***


6 Kommentare:

Uschi hat gesagt…

Oha, da wird mir ja schon beim Lesen schlecht! Obwohl in der Nähe der Ostsee aufgewachsen, werde ich leider immer sowas von seekrank ... Aber beruhigend zu erfahren, dass auch Seemänner bei rollender See nicht wirklich gemütlich schlafen können ;-)
Ahoi!

Kap Horn hat gesagt…

Hej Malescine

Es gibt ein schwedisches Lied das heisst: "Ein Seemann liebt des Meeres Wogen".
Der Kompositör war garantiert nie zur See gewesen!
Zum Glueck habe ich keine Probleme mit der Seekrankheit.

Schiff ahoi von einem ruhigen "Grosser Belt"!

Kap Horn

Simone hat gesagt…

Da ist die "Seemannsromantik" aber mal richtig anschaulich beschrieben.
Trotzdem kein schlechter Beruf, denke ich - zumindest wenn man nicht so schnell seekrank wird.

Gruß
Simone

Kap Horn hat gesagt…

Hej Simone

Danke, und nein, es ist kein "schlechter" Beruf und nicht alle Tag sind ja so. Es gibt auch die ruhige See, Sonne und blauer Himmel und das auch ohne Nachtarbeit fuer mich.

Ich habe wohl einen der wenigen Berufe wo es sogar schwarz auf weiss steht dass meine Entscheidung vor die des Reeders geht wenn es die Sicherheit des Schiffes und der Mannschaft betrifft!

Da kommt also zu der Verantwortung auch die Entscheidungsfreiheit und das sagt mir sehr zu.

Es kann auch gar nicht anders sein denn er sitzt an Land und ich bin "vor Ort".

Kap Horn

Frejda hat gesagt…

Gissa om jag skulle bli sjösjuk!
:-)

Kap Horn hat gesagt…

Hej Frejda

Jag gissar...en gång!

Det händer mig att jag blir trött, jäspar när jag kommer ombord efter wckor i land och det rullar för första gången.
Några timmar senare så ät det över och sedan spelar det ingen "roll" längre under resten av tiden ombord.

Tack och lov!

Kap Horn