- Hier folgt also die zweite und letzte Erzählung von den
Winterrosen
Doch das Bild der erblühenden Rose wärmte und erleuchtete Regen das Herz während des ganzen Heimfluges. Wortlos schob er sich neben Frost auf die Bank, als die Mutter die dampfenden Schüsseln auftrug. Anders als sonst griff Regen nicht herzhaft zu, verlangte keinen Nachschlag, sondern ließ immer wieder den Löffel sinken, während die Geschwister lachten und erzählten, was sie den ganzen Tag rund um den Globus erlebt hatten. Regen hatte keinen Hunger, der eine Blick auf die Rose wirkte nach wie ein Stärketrunk. Frost ließ die hellen Augen auf dem geistesabwesenden Bruder ruhen und fragte schließlich leise: „Du mußt etwas Wunderbares erlebt haben, Du bist ganz verwandelt, magst du erzählen?“
Regen stammelte, preßte schließlich hervor:
„Auf der Lichtung... beim roten Haus... die letzte Rose...“
Frau Natur hob den Kopf, sie wußte, nun nahm das Schicksal ihres Sohnes seinen Lauf. Frost stand auf, Regen merkte es nicht, so sehr rang er noch immer um Worte. Frost glitt zur Tür hinaus, warf achtlos Degen, Sporen und Pelz zu Boden, wickelte sich in die Schleppe, griff dem stärksten Schneesturm auf der Weide hinter dem Haus in die Mähne, schwang sich hinauf, Sattel und Zaumzeug zu suchen war Frost zu ungeduldig. Er schloß die Augen, das Bild der Rose geboren aus des Bruders Worten brannte unter den Lidern. Frost hauchte dem Schneesturm das Ziel ins Ohr und der jagte willig davon in einem rasch größer und größer werdenden Wirbel aus Eisnadeln. Kaum war Prinz Frost am Rand der Lichtung gelandet, erstarrte alles unter seinem Eisatem, überzogen von einer Hülle wie glitzerndes Glas. Das Eis blitzte und Prinz Frost glühte vor Kälte, denn der Pfropf war aus dem Loch in seiner Brust gesprungen und die eisige Sehnsucht des Prinzen quoll heraus, ergoß sich als Strom gletscherblauen Leuchtens über die Lichtung und erhellte die Nacht. Noch schützte die Holzwand die Rose vor Frosts tödlichem Atem, dann stand der Prinz vor ihr, beugte sich nieder, breitete die Schleppe der Stille aus. Die Rose erschauerte bis in die Wurzeln. Prinz Frost fragte stockend: „Du Blutrote, Lebenswunder! Bruder Regen erzählte von dir, und ohne dich je gesehen oder gerochen zu haben, liebte ich dich allein durch das Bild aus Worten, das er von dir malte. Doch was ist das Bild gegen deine lebendige Wirklichkeit. Sei mein!“
Die Rose erblaßte und flüsterte: „Dann muß ich sterben, schon erfriert meine Blüte“.
Der Prinz bat: „So schenke mir wenigstens einen einzigen Kuß!“
Die Rose antwortete schwächer werdend: „Dann muß ich sterben, schon erfrieren Blätter und Stengel.“
Da wandte sich der Prinz ab. „Nein töten will ich dich nicht, um meine größte Sehnsucht zu stillen, ein einziges Mal Leben in meinen Armen zu halten und selbst lebendig zu sein, ein einziges Mal Tränen, nicht Eisnadeln in den Augen zu haben.“
Ein Laut drang ersterbend an des Prinzen Ohr: „Ist es Dein Herzenswunsch, so umarme mich und weine“. Er fuhr herum, sah die Rose wanken, wollte sie stützen, umfing sie und während ihre Wurzeln erfroren, drangen die Dornen der Rose tief in des Prinzen Brust. Das Loch dort füllte sich rot mit Wärme, schloß sich, Blitze durchzuckten den Eisleib und aus den vereisten Wimpern fielen zwei Tränen zur Erde.
Als der Schneesturm seinen Herrn im verlöschenden gletscherblauen Licht stürzen sah, sprengte er aus dem Baumschatten, riß den Besinnungslosen hoch, hielt ihn mit starken Zähnen am Wams, stieg mit letzter zusammengenommener Kraft in die Lüfte, galoppierte zum Ende der Welt zurück, wo Frau Natur schon unruhig vor dem Haus wartete und ließ Prinz Frost in ihre hochgestreckten Arme gleiten.
Als der Hausherr am nächsten Morgen vor die Tür seines kleinen, roten Hauses trat, um Holz aus dem Stall zu holen, mußte er die Augen schließen, denn schmerzend grell glitzerte die Lichtung in einem dicken Reifpelz. Später beim Rundgang ums Haus fand der Hausherr die erfrorene Rose: So lieb hatte er sie gewonnen wie sie unverdrossen mit ganzer Lebenskraft gegen den lichtlosen November angeblüht hatte, nun stand sie starr, ausgebleicht, den Kopf geneigt und in Reifkristalle gehüllt wie in tödliches Geschmeide. Sie abzuschneiden und auf den Kompost zu legen, brachte der Hausherr nicht übers Herz, er strich sanft über den Blütenkopf.
Wenige Tage später mußte er aufbrechen und die Lichtung verlassen.
Frau Natur pflegte ihren Sohn und als er genesen war, hüllte sie ihn in ihren Mantel und flog zur verschneiten Lichtung. Sie kamen am 22. Dezember kurz vor Mitternacht an, als die Sonne eben ihre Bahn wendete. Ein sanftes blaues Leuchten breitete sich über die Lichtung. Dort, wo die beiden Tränen des Prinzen auf die Erde gefallen waren, schmolz der Schnee zu Füßen der erfrorenen Rose und ehrfürchtig betrachtet von Frau Natur und Prinz Frost schoben zwei Schneerosen ihre hellgrünen Blätter und Stengel durch eine Handbreit weich und warm werdende dunkelbraune Erde, wuchsen, knospten und öffneten elfenbeinweiße Blütenkelche mit goldgelben Stempeln und Staubgefäßen.
„Schau, die ersten Schneerosen hier an diesem guten Ort. Sie werden blühen bis der Hausherr zurückkehrt und sie werden nun jedes Jahr in der längsten Winternacht auf seiner Lichtung für ihn erblühen!“ Prinz Frost nickte zu den Worten seiner Mutter, doch nicht auf den Schneerosen, weiß wie er, ruhte dankbar sein Blick, sondern auf der erfrorenen, roten Rose. Prinz Frost streifte sich Reifnadeln aus den Wimpern, streute davon auf den geknickten Blütenkopf der Rose und fühlte wieder wie ihre Dornen in seine Brust gedrungen waren. Behutsam schlug Frau Natur ihren weiten Mantel um den Sohn und während das blaue Licht verglomm, flogen sie zurück ans Ende der Welt. Die Lichtung ruhte wie zuvor in nächtlicher Schneehelle und drei Rosen warten nun im Schatten des kleinen Hauses.
Regen stammelte, preßte schließlich hervor:
„Auf der Lichtung... beim roten Haus... die letzte Rose...“
Frau Natur hob den Kopf, sie wußte, nun nahm das Schicksal ihres Sohnes seinen Lauf. Frost stand auf, Regen merkte es nicht, so sehr rang er noch immer um Worte. Frost glitt zur Tür hinaus, warf achtlos Degen, Sporen und Pelz zu Boden, wickelte sich in die Schleppe, griff dem stärksten Schneesturm auf der Weide hinter dem Haus in die Mähne, schwang sich hinauf, Sattel und Zaumzeug zu suchen war Frost zu ungeduldig. Er schloß die Augen, das Bild der Rose geboren aus des Bruders Worten brannte unter den Lidern. Frost hauchte dem Schneesturm das Ziel ins Ohr und der jagte willig davon in einem rasch größer und größer werdenden Wirbel aus Eisnadeln. Kaum war Prinz Frost am Rand der Lichtung gelandet, erstarrte alles unter seinem Eisatem, überzogen von einer Hülle wie glitzerndes Glas. Das Eis blitzte und Prinz Frost glühte vor Kälte, denn der Pfropf war aus dem Loch in seiner Brust gesprungen und die eisige Sehnsucht des Prinzen quoll heraus, ergoß sich als Strom gletscherblauen Leuchtens über die Lichtung und erhellte die Nacht. Noch schützte die Holzwand die Rose vor Frosts tödlichem Atem, dann stand der Prinz vor ihr, beugte sich nieder, breitete die Schleppe der Stille aus. Die Rose erschauerte bis in die Wurzeln. Prinz Frost fragte stockend: „Du Blutrote, Lebenswunder! Bruder Regen erzählte von dir, und ohne dich je gesehen oder gerochen zu haben, liebte ich dich allein durch das Bild aus Worten, das er von dir malte. Doch was ist das Bild gegen deine lebendige Wirklichkeit. Sei mein!“
Die Rose erblaßte und flüsterte: „Dann muß ich sterben, schon erfriert meine Blüte“.
Der Prinz bat: „So schenke mir wenigstens einen einzigen Kuß!“
Die Rose antwortete schwächer werdend: „Dann muß ich sterben, schon erfrieren Blätter und Stengel.“
Da wandte sich der Prinz ab. „Nein töten will ich dich nicht, um meine größte Sehnsucht zu stillen, ein einziges Mal Leben in meinen Armen zu halten und selbst lebendig zu sein, ein einziges Mal Tränen, nicht Eisnadeln in den Augen zu haben.“
Ein Laut drang ersterbend an des Prinzen Ohr: „Ist es Dein Herzenswunsch, so umarme mich und weine“. Er fuhr herum, sah die Rose wanken, wollte sie stützen, umfing sie und während ihre Wurzeln erfroren, drangen die Dornen der Rose tief in des Prinzen Brust. Das Loch dort füllte sich rot mit Wärme, schloß sich, Blitze durchzuckten den Eisleib und aus den vereisten Wimpern fielen zwei Tränen zur Erde.
Als der Schneesturm seinen Herrn im verlöschenden gletscherblauen Licht stürzen sah, sprengte er aus dem Baumschatten, riß den Besinnungslosen hoch, hielt ihn mit starken Zähnen am Wams, stieg mit letzter zusammengenommener Kraft in die Lüfte, galoppierte zum Ende der Welt zurück, wo Frau Natur schon unruhig vor dem Haus wartete und ließ Prinz Frost in ihre hochgestreckten Arme gleiten.
Als der Hausherr am nächsten Morgen vor die Tür seines kleinen, roten Hauses trat, um Holz aus dem Stall zu holen, mußte er die Augen schließen, denn schmerzend grell glitzerte die Lichtung in einem dicken Reifpelz. Später beim Rundgang ums Haus fand der Hausherr die erfrorene Rose: So lieb hatte er sie gewonnen wie sie unverdrossen mit ganzer Lebenskraft gegen den lichtlosen November angeblüht hatte, nun stand sie starr, ausgebleicht, den Kopf geneigt und in Reifkristalle gehüllt wie in tödliches Geschmeide. Sie abzuschneiden und auf den Kompost zu legen, brachte der Hausherr nicht übers Herz, er strich sanft über den Blütenkopf.
Wenige Tage später mußte er aufbrechen und die Lichtung verlassen.
Frau Natur pflegte ihren Sohn und als er genesen war, hüllte sie ihn in ihren Mantel und flog zur verschneiten Lichtung. Sie kamen am 22. Dezember kurz vor Mitternacht an, als die Sonne eben ihre Bahn wendete. Ein sanftes blaues Leuchten breitete sich über die Lichtung. Dort, wo die beiden Tränen des Prinzen auf die Erde gefallen waren, schmolz der Schnee zu Füßen der erfrorenen Rose und ehrfürchtig betrachtet von Frau Natur und Prinz Frost schoben zwei Schneerosen ihre hellgrünen Blätter und Stengel durch eine Handbreit weich und warm werdende dunkelbraune Erde, wuchsen, knospten und öffneten elfenbeinweiße Blütenkelche mit goldgelben Stempeln und Staubgefäßen.
„Schau, die ersten Schneerosen hier an diesem guten Ort. Sie werden blühen bis der Hausherr zurückkehrt und sie werden nun jedes Jahr in der längsten Winternacht auf seiner Lichtung für ihn erblühen!“ Prinz Frost nickte zu den Worten seiner Mutter, doch nicht auf den Schneerosen, weiß wie er, ruhte dankbar sein Blick, sondern auf der erfrorenen, roten Rose. Prinz Frost streifte sich Reifnadeln aus den Wimpern, streute davon auf den geknickten Blütenkopf der Rose und fühlte wieder wie ihre Dornen in seine Brust gedrungen waren. Behutsam schlug Frau Natur ihren weiten Mantel um den Sohn und während das blaue Licht verglomm, flogen sie zurück ans Ende der Welt. Die Lichtung ruhte wie zuvor in nächtlicher Schneehelle und drei Rosen warten nun im Schatten des kleinen Hauses.
- Hier endet nicht nur die Geschichte der Winterrosen, sondern sogar ein ganzes Jahr.
- Licht und Dunkelheit, Eis und Feuer, Natur und Menschengemachtes...alles unter einem Himmel.
Kap Horn, Verwalter von "Svenserum"
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hej Kap Horn
AntwortenLöschenauch dir wünsche ich ein fried-und freudvolles 2010.Mögen gute Winde und Wesen deine Reisen begleiten und über dich wachen, damit wir noch viele Geschichten und Bilder von dir zu lesen und sehen bekommen.
maroni
Ein Dankeschön und viele gute Wuensche auch an dich Maroni!
AntwortenLöschenKap Horn
"... ist die Welt anders als sie scheint" schriebst Du, Kap Horn
AntwortenLöschendeshalb als Neujahrsgabe und Dank für all das hier Geschriebene eine Geschichte eines unbekannten Verfassers, die ich selbst in der Adventszeit geschenkt bekommen habe und die genau davon handelt.
Und nun Gott nytt ar!
Zwei reisende Engel machten Halt, um die Nacht im Hause einer wohlhabenden Familie zu verbringen. Die Familie war unhöflich und verweigerte den Engeln, sich im Gästezimmer des Haupthauses auszuruhen. Anstelle dessen bekamen sie einen kleinen Platz im kalten Keller. Als sie sich auf dem harten Boden ausstreckten, sah der ältere Engel ein Loch in der Wand und reparierte es. Als der jüngere Engel fragte, warum, antwortete der ältere Engel: „Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.“
In der nächsten Nacht rasteten die beiden im Haus eines sehr armen, aber gastfreundlichen Bauern und seiner Frau. Nachdem sie das wenige Essen, das sie hatten, mit ihnen geteilt hatten, ließen sie die Engel in ihrem Bett schlafen, wo sie gut schliefen. Als die Sonne am nächsten Tag den Himmel erklomm, fanden die Engel den Bauern und seine Frau in Tränen. Ihre einzige Kuh, deren Milch ihr alleiniges Einkommen gewesen war, lag tot auf dem Feld.
Der jüngere Engel wurde wütend und fragte den älteren Engel, wie er das habe geschehen lassen können? „Der erste Mann hatte alles, trotzdem halfst du ihm“, meinte er anklagend. „Die zweite Familie hatte wenig, und du ließest die Kuh sterben.“ „Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen“, sagte der ältere Engel. „Als wir im kalten Keller des Haupthauses ruhten, bemerkte ich, dass Gold in diesem Loch in der Wand steckte. Weil der Eigentümer so von Gier besessen war und sein glückliches Schicksal nicht teilen wollte, versiegelte ich die Wand, so dass er es nicht finden konnte. Als wir dann in der letzten Nacht im Bett des Bauern schliefen, kam der Engel des Todes, um seine Frau zu holen. Ich gab ihm die Kuh stattdessen. Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.“