11. Juli 2009

Wortlos

Besuch ist wirklich selten hier oben auf meiner Lichtung, denn der Weg führt auf eine Wiese und Endet dort. Außer dem Bauern kommen ab und an ein paar Jäger vorbei, aber auch deren Besuch ist seltener geworden, denn die Wildschweine denen sie nachgestellt haben sind scheu und deshalb weitergewandert.
- Aber hin und wieder verirren sich ja recht erstaunliche Besucher in diesen Teil des Waldes. Und sie wenden spätestens hier um, da sie feststellen müssen, dass sie sich verlaufen haben.
- Zwei dieser Begegnungen habe ich ja schon beschrieben, aber da sind durch die Jahre noch andere gekommen.
-Da kam der Fressgierige voller Atemnot nach dem kurzen Anstieg zur Lichtung, eine Tüte voller Kuchen in der Hand, und er hatte nichts anderes im Sinn, als sich um seinen Bauch zu kümmern aber der Anblick des Kartoffellandes machte ihn nur betrübt und mit einem: „Was, nur Chips gibt es hier?“ machte er sich wieder davon.
- Oder die Konsumgierige mit ihrem flackerndem Blick, Ausschau nach Dingen haltend um ihrem Leben einen Inhalt und Sinn zu geben. Auch sie verschwand mit einem: „Hier gibt es ja weniger im ganzen Haushalt als bei mir in einer meiner Kramschubladen“.
- Der Mehr-scheinen-als-sein kam in seiner verchromten, auf Pump gekauften Karosse vorbei, keine Zeit um stille zu halten denn hier gab es niemanden auf den er damit Eindruck schinden konnte. Auch er musste wenden, denn hier gab es keine bewunderten Zuschauer und außerdem, da der Weg ja nicht weit von hier endet, befand er sich sowieso in einer Sackgasse.
- Es kam der Muskelprotz, stolz seine Kräfte zeigend, aber als ich ihn bat, mir beim Holzhauen zu helfen lächelte er nur herablassend und meinte mit so was gebe er sich nicht ab, sondern stemme Gewichte in einem Athletenklub und wendete um.
- Eine Akademikerin fand ihren Weg, und sie wusste viel über die Natur, kannte die Namen der Bäume und Blumen auf Latein, aber nachdem sie mir einen Vortrag darüber gehalten hatte zog sie davon, denn ihr war es zu unnatürlich geworden als sie nur noch das leise Rauschen der Bäume hörte statt einer lebhaften Diskussion wie man die Natur verbessern könnte.
- Ein Reicher kam, angetan in feine Kleider, schaute sich nur kurz um, und mit einem Kopfschütteln hörte ich nur wie er murmelte: „Hier ist kein Geschäft zu machen um noch reicher zu werden". So verschwand auch er wieder.
- Und dann kam eine alte Frau, einfach und sauber gekleidet und ich bot ihr mit einer einladenden Handbewegung einen Platz zum Sitzen und sich Ausruhen an. Mit einem Nicken nahm sie Platz und ich brachte ihr ungebeten ein Glas Quellwasser, denn dieser Mensch hatte etwas, das ich nicht in Worte fassen kann.
- Ob es der wache und sanfte Ausdruck in ihren Augen war, ihr Mund der Wissen versprach, ihre Hände die Schöpferkraft, ihre gerade Haltung die Kraft ausdrückten? Ob es ihre Gesichtszüge waren die innere Zufriedenheit spiegelten oder ob es einfach die Ruhe war, die von ihrem Wesen ausging und sie um sich verbreitete?
- Lange saßen wir schweigend da, aber es war ein Schweigen in Einverständnis, bis sie sich erhob und mit einem Kopfnicken weiter den alten Waldweg wanderte.
- Wir hatten ohne ein Wort zu sprechen das Leben ausgelotet.
- Wir teilten die Freude an der Natur um uns, über die wachsenden Kartoffeln, die Essen versprachen, über das klare Wasser, das die Natur uns schenkt. Über das Holz das dem Winter die Schärfe nimmt und über die Sonne, die die Kraft für unser Leben ausmacht. Wir sahen den Tod, oben in der alten Espe, deren Kronzweige lautlos und abgestorben aus den noch grünen unteren Zweigen hervorschauten und damit Leben dem Buntspecht schenkt, der unter der Rinde dort Insekten als Nahrung findet.
- Wir hörten das Äoulusspiel, welches oben unter dem Stallgiebel hängt und diese Begegnung mit ihren leisen Tönen im weichen Sommerwind zusammenfasste.

- Einklang...

***

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke, Kap Horn, ich könnte dir stundenlang zuhören, von Geistern und Akaleien, von Menschen die kommen und gehen, von Gästen die schweigend bleiben....

OM... ich danke, dass einE GärtnerIn dem Kap Horn eine Linde bringt....

Wahrscheinlich gefällt den Geistern, was du so tust... darum ist alles so freundlich... ;-)


Liebe Grüsse
Cassiopeia

Kap Horn hat gesagt…

Hej Cassiopeia!

Danke fuer deine Worte, und dafuer will ich ein Geschenk mit Dir teilen; ein Gedicht von Rainer Kunze, das mir ein Vogel heute Nacht vom Alpenrand bis hier hoch in den Norden ueberbracht hat.
Als ich aufwachte lag ein Lindenblatt auf meinem Schreibtisch und voller Freude las ich ein Gedicht von Rainer Kunze...

Große Sommerlinde

Ihre äste laden ein
mit der geste des beschirmens

Trittst du unter sie, verwandelt sich der blick
In einen kleiber

Er klettert, bis dir schwindelt
und das wort dir zufällt ‚himmelgrün’

Unknown hat gesagt…

Schönes Gedicht!